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Die Katharinenkirche

Orte der Forschung

St. Katharinen ist die einzige erhaltene der vier ehemaligen Klosterkirchen Lübecks. Sie beherbergt heute nicht nur ihre eigenen Ausstattungsstücke, sondern seit 1982 auch einige Objekte aus anderen Kirchen. Andererseits werden wichtige Werke aus der Kirche, so z.B. der Altar der Lukasbrüder von Hermann Rode, im St. Annen-Museum ausgestellt.

Zentrum der Franziskaner im Ostseeraum – ein Ort der Schrift und Bildung
Mit der Entstehung Lübecks und dem aufkommenden Handel und Geldverkehr stellte sich die Frage, wie der neu erlangte Wohlstand und die christliche Lehre zu vereinbaren seien. Das 1225 angesiedelte Katharinenkloster des damals frisch gegründeten Bettelordens der Franziskaner hatte für die Stadtgesellschaft eine wichtige Bedeutung. Die Franziskanermönche suchten nicht die Einsamkeit wie Mönche anderer Orden, sondern predigten zu den Menschen. Sie lebten selbst arm und bescheiden und kümmerten sich besonders um die Armen und Kranken, aber auch um das Seelenheil der Handwerker und Kaufleute. Schon bald hatten sich in Lübeck verlässliche Bündnisse gebildet und die Franziskaner erhielten großzügige Spenden.
Dem Lübecker Kloster waren die übrigen, jüngeren Franziskanerkonvente des Ostseeraums unterstellt. Die 75 Meter lange Kirche bot für die Versammlungen der Mönche und bei Festgottesdiensten mehreren hundert Menschen Platz. Sie wurde der hl. Katharina geweiht, die als Patronin der Lehrenden und Lernenden gilt. Im Kloster wurde Wissen gesammelt und weitergegeben. Auch die Bürger Lübecks profitierten davon, so wurden hier unter anderem Verlobungsabsprachen getroffen und die erste Stadtchronik geschrieben. Bis heute lebt diese Bildungstradition in den ehemaligen Klostergebäuden mit der Stadtbibliothek und dem Gymnasium Katharineum fort.

Ort für Begräbnisse
Die Franziskanerkirche war aber auch ein wichtiger Begräbnisort für prominente Bürgerinnen und Bürger und hatte zudem 14 Bruderschaften eine geistliche Heimat gegeben. Dazu gehörten auch die Ämter der Maler und Bäcker. Der erste Vertrag über das Lesen von Messen für Verstorbene wurde 1379 mit dem elitären Kreis von Kaufleuten, den Zirkelbrüdern, geschlossen. Sie stellten wie die anderen Bruderschaften einen eigenen Altar in der Kirche auf.
Als gute Adresse galt St. Katharinen auch noch nach der Reformation und der Auflösung des Klosters 1531. Dies bezeugen die vielen Grabdenkmäler und Kapellen bis in die Barockzeit mit Bildnissen, die um das Thema der Auferstehung nach dem Tode kreisen. Sogar ein Gemälde des berühmten venezianischen Malers Tintoretto von 1576 ist an der Westwand der Kirche zu finden. Es gibt allerdings auch bedeutende Lübecker Persönlichkeiten, deren Bestattung in St. Katharinen zwar schriftlich bezeugt, deren Gräber bisher jedoch unauffindbar sind.
 
Der Maler Hans Kemmer und das Lübecker Wunderkind
In Lübeck wurde der Maler Hans Kemmer um 1495 geboren und war auch später hier tätig. Ausgebildet u.a. bei Lukas Cranach dem Älteren, wurde er zu einem der wichtigsten Lübecker Maler nach der Reformation; dies nicht zuletzt durch seine persönliche enge Vernetzung in lübeckische Reformationskreise und seine Offenheit für neue reformatorische Bildthemen. Die Liebesgabe, vom Kaufmann und Ratsherren Johann Wigerinck beauftragt, konnte das St. Annen-Museum 2018 in London ersteigern. Es besitzt die umfänglichste Sammlung an Bildern von Hans Kemmer.
Von Christian Heinrich Heineken sind in materieller Form allein die Stiefelchen erhalten, die er trug, als er 1724 dreijährig dem dänischen König als Wunderkind vorgeführt wurde. Die kleinen gespornten Lederschuhe, aufbewahrt im St. Annen-Museum, geben Zeugnis von dem Jungen, der nur vier Jahre alt wurde und sich – wahrscheinlich aufgrund einer Anomalie des Gehirns – alles merken konnte, was er einmal gehört hatte. Und das war sehr viel, denn die selbst mit zahlreichen Talenten ausgestatteten Eltern ließen das Kind schon seit dem ersten Lebensjahr von Hauslehrer Christian von Schöneich unterrichten. Dieser machte mit seiner gedruckten Hagiographie auf 234 Seiten das Lübecker Wunderkind berühmt.

Baugestalt
Unter den Bettelordenskirchen der Hochgotik sticht die gewölbte Backsteinbasilika mit Querhaus durch ihre edle Formgebung heraus. Das Mittelschiff überragt die zwei Seitenschiffe deutlich und seine spitzbogigen Fenster lassen viel Licht herein. Der Bau nimmt durch einen Kunstgriff auf den Verlauf der nicht parallel zum Mittelschiff verlaufenden Glockengießerstraße Rücksicht: Das nördliche Seitenschiff wird gen Westen immer schmaler und die Westfassade überspielt diesen geschrumpften Nordteil mit einer Verschiebung der Portalzone gen Süden.
Im Osten wird eine ungewöhnliche, doppelgeschossige Choranlage eingebaut, die beide Bezugspunkte der Franziskaner in Lübeck verdeutlicht: zum einen das besonders enge Verhältnis zu den Bürgern, die im Unterchor bestattet werden, zum anderen die enge Anbindung an die Mutterkirche des Ordens im italienischen Assisi. Deren Zweigeschossigkeit wird im Chor von St. Katharinen zitiert.

Raumausmalung
Die Raumfassung (Raumausmalung) täuscht mit den rot aufgemalten Fugen große Mauerquader vor und stammt aus der Bauzeit. Sie bestimmt gemeinsam mit der Architektur den Raumeindruck und betont besondere Gliederungselemente. Das Chorhaupt im Osten wird durch eine Quaderung auf hellgrauem Kalkanstrich herausgehoben. In den 1980er Jahren hat man damit begonnen, die Raumfassung sehr aufwendig von Übertünchungen zu befreien und in Teilen zu ergänzen. Zwei jüngere Raumfassungen aus dem 15. und 16. Jahrhundert wurden partiell stehengelassen.
Zu den farbigen und ornamentalen Gliederungen gesellten sich auch figürliche Malereien. Die Brustbilder in den Bogenlaibungen des Mittelschiffs gehören zur ersten Ausmalung, später kamen weitere Wandmalereien hinzu.

Der moderne Figurenfries an der mittelalterlichen Westfassade
1929 entwarf Ernst Barlach zwölf Figuren für die Westfassade, deren Programm als „Gemeinschaft der Heiligen“ betitelt war. Bis zur Machtergreifung Hitlers 1933 konnte Barlach nur drei davon umsetzen. Der Initiator und Fürsprecher Carl Georg Heise hatte die expressionistischen Figuren während der Nazi-Zeit erst verteidigt, dann versteckt und sich für ihre Aufstellung 1947 eingesetzt. In ihren Proportionen auf Untersicht angelegt scheinen die eindringlichen Gestalten an der Nordflanke der Westfassade geradezu aus den Nischen herauszuwachsen. Als Vervollständigung der Figurenreihe entwickelte Gerhard Marcks sechs Figuren im Geiste Barlachs. Das 1958 entstandene Gipsmodell für das Berliner Käthe-Kollwitz-Denkmal von Gustav Seitz setzt einen weiteren modernen Akzent in der heutigen Museumskirche.

In der gegenwärtigen Forschungssituation erweisen sich folgende Themenbereiche als Desiderate:

  • Die Erstellung eines Bestandskataloges der beweglichen Kunstwerke in der Katharinenkirche ist ein großes Desiderat.
  • Die Wandmalereien der Katharinenkirche