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Fake or Fact?

Adel verpflichtet: Über Namensgebung und Zuchtlinien von Lübecker Polizeihunden

Beitrag von Eike Loeper

Bevor ich Anfang 2018 mit meinen Recherchen zur Geschichte der Lübecker Polizei begann, hatte ich auf der Weihnachtsfeier des ZKFL unsere wissenschaftliche Koordinatorin Birgit Stammberger kennengelernt. Nachdem wir ein paar Worte gewechselt hatten, erzählte sie mir:

„Mein Urgroßvater ist übrigens hier in Lübeck bis in die 30er Jahre auch bei der Polizei gewesen. Vielleicht begegnet dir sein Name ja mal in den Akten.“

„Ach, das ist ja ein netter Zufall!“, antwortete ich.

Ich hatte das Ganze schon wieder völlig vergessen, bis ich vor einigen Wochen im Stadtarchiv die Akten zu den Polizeihunden durchblätterte und auf einen Verwaltungsvorgang stieß, den Sie dort drüben in der Vitrine nachlesen können. Das Schreiben ist auf den 2. Oktober 1929 datiert und vom Kommandeur der Bereitschaftspolizei, Major Wilhelm von Thaden, unterzeichnet.

Darin wird ein Diensthund namens „Joschka von Wittstock“ zusammen mit mehreren Ausrüstungsgegenständen an einen „Wachtmeister Stammberger“ abgegeben. Durch weitere Nachforschungen konnte ich herausfinden, dass es sich bei dem Tier um einen Riesenschnauzer handelte, der 1920 vom Polizeiamt angekauft worden war.

Während des Ersten Weltkrieges wurde die Haltung von Polizeihunden durch Futtermangel erschwert. Auch der Ankauf von weiteren Hunden war aufgrund der hohen Preise nicht möglich. Zudem gingen zwei Tiere infolge von Krankheiten ein, sodass der Kriminalpolizei seinerzeit nur ein einziger ausgebildeter Hund zur Verfügung stand. Mit dem Riesenschnauzer Joschka wurde also für dringend benötigten Ersatz gesorgt.

Nach Kriegsende war das Alltagsleben der Deutschen von Arbeitslosigkeit, Armut und Hungersnot geprägt. Viele Menschen mussten einen Kampf ums nackte Überleben führen, Diebstähle von Lebensmitteln und Plünderungen von Geschäften häuften sich. Auch in Lübeck stieg die Zahl der Einbrüche damals stark an. Um die Täter ermitteln zu können, mussten Spürhunde eingesetzt werden.

Als Joschka dem Polizeiamt zum Kauf angeboten wurde, war er zwar noch nicht fertig ausgebildet, aber „mit den besten Polizeihundeigenschaften versehen“.

Andere Beamte hatten sich bereits eigene Hunde angeschafft, um sie zu ihrem persönlichen Schutz als Begleithunde mit sich zu führen. Wenn Polizeibeamte oder Nachtwächter ihre Hunde zu Spürhunden ausbilden ließen oder sie als Schutz- und Begleithunde im Dienst verwendeten, wurde ihnen nicht nur ein monatliches Futtergeld gezahlt, sondern auch die Hundesteuer erlassen, was einen großen Anreiz bot.

Als ich mir die Listen über die Befreiung von der Hundesteuer ansah, fielen mir die teilweise kurios anmutenden Namen auf, die auf die hochadelige Herkunft der edlen Tiere hinwiesen:

„Unda von Siegesbrunnen“, „Curt von der Weberkoppel“, „Baron vom Vogelhaus“, „Dolf vom Hannoverland“, „Erda von Währersheim“, „Asta vom Wallkrieg“, „Etzel vom Wallgarten“ und mein persönlicher Favorit „Dörte von Granada“.

Der Hund unserer wissenschaftlichen Koordinatorin entstammt der direkten Zuchtlinien des Riesenschnauzers Joschka von Wittstock. Über die Jahrzehnte wurden die Nachkommen allerdings auf die Größe von Zwergschnauzern zurückgezüchtet. Die Namenstradition wurde indes fortgeführt: Ihr Hund hört auf den Namen „Joschi von Wittstock“.

Adel verpflichtet eben.


Fake or Fact? Auflösung

Bei dem ausgestellten Schriftstück handelt es sich um die Fälschung eines Schreibens aus einer Akte über Diensthunde, die sich im Bestand „Polizeiamt“ des Lübecker Stadtarchivs befindet. Der maschinenschriftlich verfasste Inhalt ist zum größten Teil originalgetreu übernommen worden. Selbst das zeitgenössische Papier weist ein Wasserzeichen mit dem Lübecker Stadtwappen auf. Lediglich die Namen des Wachtmeisters und des an ihn abgegebenen Hundes sind verändert worden, um eine fiktive hundertjährige Zuchtlinie vom „Riesenschnauzer Joschka“ bis zum „Zwergschnauzer Joschi“ herzustellen. Außerdem ist die Liste der ausgebuchten Ausrüstungsgegenstände um „2 Stofftiere (Ente, Hase)“, „1 Kuscheldecke“ und „1 Hundeuniform mit Tschako“ erweitert worden. Weder ist der Urgroßvater von Birgit Stammberger Polizist in Lübeck gewesen, noch hat es den Riesenschnauzer Joschka von Wittstock wirklich gegeben. Bei den übrigen im Vortrag erwähnten Lübecker Polizeihunden handelt es sich dagegen um die echten Namen von Schutz- und Begleithunden aus den 1920er Jahren.