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Völkerkundesammlung der Hansestadt Lübeck

Orte der Forschung


Call for Papers zur Tagung "Koloniale Objekttransfers und Indigene Agency"

Die Tagung findet am 25. und 26. März 2024 im ZKFL statt und ist als Präsenzveranstaltung geplant.

Weitere Informationen und Termine zum Call for Papers finden Sie unter:

Call for Papers zur Tagung - Völkerkundesammlung - Die Lübecker Museen (die-luebecker-museen.de)

Direkt zum PDF des Call for Papers


Die Lübecker Völkerkundesammlung mit ihren rund 26.000 Objekten ist in einem Zeitraum von vier Jahrhunderten entstanden und von zentraler Bedeutung für die Identität der Hansestadt. Ihre Bestände decken alle Weltgegenden und einen Zeitraum von der Altsteinzeit bis in das 21. Jahrhundert ab. In ihren Anfängen war sie Teil einer privaten, ab 1831 einer gemeinnützigen und ab 1934 einer städtischen Einrichtung. Als ein Zeugnis historischer und heutiger globaler Netzwerke schlägt die Sammlung eine historische Brücke vom Handel der Hansezeit über das Zeitalter des Kolonialismus bis in unsere heutige, von Weltoffenheit und von Migration geprägte, Gesellschaft.

Mit ihren zahlreichen Artefakten von Kulturen, die im Zuge von Eroberungen, Kulturwandel und Globalisierung vernichtet oder grundlegend verändert wurden, repräsentiert die Sammlung einen wichtigen Mosaikstein des Welterbes, der nicht nur für Lübeck, sondern auch für die Nachfahren der Ursprungsgemeinschaften von unschätzbarem Wert ist.

Erwerbszeit
Mehrheitlich wurde die Sammlung vor 1918 zusammengetragen und auch in der Folgezeit weiter ergänzt. Einzelne Objekte befinden sich bereits seit dem 17. Jahrhundert in der Stadt. Bei der Bombardierung des Museums am Dom 1942 kam es zu erheblichen Zerstörungen, insbesondere im Bereich der afrikanischen Abteilung. Seit den 1970er Jahren ist die Sammlung durch weitere Schenkungen erneut gewachsen. Rund 70 Prozent der heute vorhandenen Objekte kamen vor 1945 aus außereuropäischen Gebieten nach Lübeck und könnten somit als „kolonial“ bezeichnet werden. Allerdings stammt nur ein Bruchteil dieser Bestände aus den ehemaligen deutschen Kolonialgebieten.

Art des Erwerbs
Im Gegensatz zu anderen Museen sind die Bestände der Völkerkundesammlung weniger das Ergebnis systematischer wissenschaftlicher Sammlung. Eine Ausnahme bilden die Sammlungsreisen der Museumsdirektor*innen sowie die Lübecker Pangwe-Expedition unter der Leitung von Günter Tessmann. Überwiegend handelt es sich jedoch um Geschenke, die von Lübecker Bürger*innen auf Reisen oder im Rahmen von beruflichen Auslandsaufenthalten erworben wurden. Weiterhin wurden regionale Lücken in den Beständen durch Ankäufe oder Tauschobjekte von anderen Museen geschlossen.
Sammelreisen:
Richard Karutz: Baskenland (1897), Zentralasien (1903, 1905, 1909), Tunesien (1906), Estland (1918)
Günter Tessmann: Lübecker Pangwe-Expedition (1907–1909)
Helga Rammow: Bolivien (1983), Zentralasien (1986)

Forschung
Fundament der aktuellen Museumsarbeit bildet die von 2012 bis 2016 mit Fördermitteln der Possehl-Stiftung realisierte Digitalisierung der Sammlung. Dabei wurden nahezu alle Objekte fotografiert und in eine Datenbank eingegeben. Diese Bilder und Daten haben die Kooperation mit externen Wissenschaftler*innen und Angehörigen der Herkunftsgemeinschaften erheblich erleichtert. Es ist angedacht, diese in naher Zukunft der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Die museumseigene Forschung richtete sich bisher auf frühe Sammler und ihre Biographien. So wurden seit November 2010 im Rahmen eines von der DFG geförderten Projektes in Kooperation mit dem Frobenius-Institut an der Goethe-Universität Frankfurt an der „Digitalisierung, Erschließung, Publikation und Auswertung der unveröffentlichten Lebenserinnerungen von Günter Tessmann aus den Beständen der Völkerkundesammlung der Hansestadt Lübeck“ gearbeitet. Neben diesen Tagebüchern und Zeugnissen des ebenfalls an der Lübecker Pangwe-Expedition teilnehmenden Hans Jobelmann erschien auch eine Monographie über die Reiseberichte und Sammlungen des Lübecker Weltreisenden Gustav Pauli (1824–1911) sowie die Analyse eines Medizinbündels der Navajo in der Reihe „Lübecker Beiträge zur Ethnologie“.

Seit 2018 ist die Frage nach den kolonialen Wurzeln der Sammlung in das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. So ist für die kommenden Jahre eine systematische Erforschung der Provenienz verschiedener regional gegliederter Sammlungsteile geplant. Jenseits der Suche nach Raubgut in der Sammlung soll dabei auch die Kooperation mit den Herkunftsgemeinschaften ausgebaut und die Präsenz der Kolonialen in der Geschichte und Gegenwart der Hansestadt Lübeck (z.B. Kolonialverein, Missionsverein, Völkerschauen, koloniale Kunstwerke) aufgearbeitet werden.
Schließlich werden die historischen Fotografien der Sammlung aktuell digitalisiert und wissenschaftlich erschlossen. Besonders hervorzuheben sind dabei 833 Fotografien des Ehepaars Duderstadt, das 1911 eine Reise rund um Afrika unternahm, sowie Fotoalben einer deutschnamibischen Familie aus den 1930er Jahren. Hinzu kommen eine nicht minder bedeutende Bildersammlung aus Rumänien aus der Zeit um 1917 sowie kleinere Bestände weiterer Fotografien und Archivalien u.a. aus dem Nachlass des Südseeforschers Paul Hambruch (1882–1933).